Kündigung wegen überlanger Raucherpausen, wenn mildere Maßnahmen nicht helfen

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz hat am 21.01.2010 die Berufung eines Arbeitgebers gegen ein Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen zurückgewiesen (Aktenzeichen 10 Sa 562/09). Danach rechtfertigen überlange Raucherpausen nicht zwangsläufig die Kündigung eines Arbeitnehmers. Unter Berücksichtigung bestimmter Umstände kann sowohl eine außerordentliche als auch eine ordentliche Kündigung unverhältnismäßig sein.

Der Arbeitnehmer, ein Chemielaborwerker, hat erhebliche arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen begangen, weil er seine unbezahlten Pausenzeiten, die sich aus der Betriebsvereinbarung ergeben, in gravierendem Umfang überzogen hat. Er hat zusätzlich zu den unbezahlten Pausen weitere Pausen eingelegt, für die er das volle Arbeitsentgelt erhalten hat. Pausen gehören nicht zur bezahlten Arbeitszeit. Aus dem Umstand, dass der Betrieb in beschränktem Maße kurze Raucherpausen für ein bis zwei Zigaretten täglich während der bezahlten Arbeitszeit duldet, konnte der Mitarbeiter (Zigarettenkonsum 50 Stück/Tag) nicht herleiten, dass ihm gestattet sei, seine Pausenzeiten nach Belieben in erheblichem zeitlichem Umfang auszunutzen. Selbst wenn man zu seinen Gunsten unterstellt, dass er zum Rauchen einer Zigarette nur fünf Minuten benötigt, so summieren sich die zusätzlichen Zigarettenpausen auf arbeitstäglich ca. 100 Minuten.

Doch diese Verfehlungen führen im Rahmen der Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht zum Überwiegen der Interessen des Betriebs an der fristlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Arbeitnehmer ist seit seinem 15. Lebensjahr und damit 38 Jahre in dem Betrieb beschäftigt. Bei Zugang der Kündigung war er 54 Jahre alt. In diesem Alter ist es für ihn praktisch aussichtslos, einen auch nur annähernd vergleichbaren Arbeitsplatz zu finden. Auch wenn sein Arbeitsverhältnis nicht beanstandungsfrei verlaufen ist, begründen die lange Betriebszugehörigkeit und das Lebensalter des Arbeitnehmers ein erhebliches Bestandsschutzinteresse. Beides ist jedoch kein „Freibrief“ für Pflichtverletzungen.

Bei der gebotenen umfassenden Interessenabwägung ist zu prüfen, ob anstelle der Kündigung eine mildere Maßnahme angemessen und ausreichend gewesen wäre. Denn eine ordentliche Kündigung ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nur erforderlich, wenn sie nicht durch mildere Maßnahmen zu vermeiden ist (BAG – Urteil vom 15.08.2002). Nach Lage der Dinge kam eine Herausnahme des Klägers aus der Gleitzeitregelung und die Einführung einer generellen Pflicht, zu Beginn und Ende jeder Pause das Zeiterfassungsgerät zu bedienen, als mildere Maßnahme in Betracht. Bei einer solchen Regelung muss dann der Betrieb vergleichbare Pflichtverletzungen in Zukunft nicht mehr hinnehmen und kann das Arbeitsverhältnis lösen.