Wer durch Deutschland reist, wird nur auf wenige Unterschiede beim Nichtraucherschutz zwischen Nord und Süd sowie zwischen Ost und West treffen. Eine der am deutlichsten in Erscheinung tretenden Abweichungen liegt bei der Rauchverbotsregelung in Gaststätten. In Bayern, Nordrhein-Westfalen und im Saarland gilt für das gesamte Gaststättengewerbe ein generelles Rauchverbot ohne Ausnahmen. Andere Bundesländer hingegen lassen Ausnahmen vom Rauchverbot zu: So darf in kleinen Gaststätten, in denen keine zubereiteten Speisen angeboten werden, sowie in Nebenräumen von größeren Gaststätten und in Festzelten geraucht werden.
In allen anderen öffentlich zugänglichen Gebäuden und Räumen sowie in Verkehrsmitteln sind die Regelungen weitgehend einheitlich. Ob Köln, Hamburg, Berlin oder München: Es gibt überall dort, wo sich Touristen im öffentlichen Bereich einfinden können, keine wesentlichen Unterschiede.
Wer Japan bereist, dem fällt als erstes auf, dass die Bürgersteige und Straßen sehr sauber sind. Weder Papiertaschentücher, leere Getränkedosen und -flaschen noch Zigarettenschachteln und -kippen trüben das Stadtbild.
In manchen Orten, wie zum Beispiel in Sapporo, sind die Bürgersteige im ganzen Innenstadtbereich mit Aufklebern versehen, die denjenigen eine Strafe von 1000 Yen (ca. 9 Euro) androhen, die rauchen oder Abfall hinterlassen.
Wer im touristischen Teil des Hafens von Shimonoseki, der südwestlichsten Stadt auf Japans Hauptinsel Hondschu, spazieren geht, braucht Rauchschwaden nicht zu fürchten. In kurzen Abständen taucht immer wieder ein Plakatständer auf, der die Regeln ins Blickfeld der Fußgänger rückt.
Wer Zigarettenkippen sucht, wird vergeblich suchen. Doch es ist nicht die Höhe des Bußgeldes von 9 Euro, die die Japaner von einem Verstoß abhält. Es ist vielmehr ein tief verankertes Verhaltensmuster, das besagt, dass man sich an Regeln zu halten hat. Es gibt kein Kann oder Soll, sondern ausschließlich ein Muss. Zumindest gilt das für die eindeutige Mehrheit der Nation. Für Bewohner einer häufig von Naturkatastrophen wie Erdbeben, Tsunamis und Taifunen heimgesuchten großen Inselgruppe, erhöht es die Überlebenschancen, wenn sie Regeln einhalten. Das gilt besonders für Regeln, die so gut begründet sind wie diejenigen, die vor Gesundheitsgefahren schützen und solidarisches Verhalten fördern sollen.
Minderheitenschutz ist ein Grund, Raucherräume einzurichten. Doch wahrscheinlicher ist es, dass die Raucherräume regelkonformes Rauchen erleichtern und fördern sollen. Kein Land hat wohl mehr Geld für teure Raucherräume ausgegeben als Japan. Man sieht sie in Warenhäusern, in Cafés und Restaurants, auf freiem Gelände und in Zügen.
Raucherräume sind teuer, wenn man so weit wie technisch möglich verhindern will, dass Tabakrauch in andere Räume dringt. Die Japaner kennen sich mit Lüftung aus, weil sie in den Sommermonaten bei Temperaturen von durchwegs 30 bis 40 Grad Celsius nur dank Klimaanlagen leistungsfähig bleiben können. Und Schiebetüren gehören seit Jahrhunderten zur Wohnkultur. Beim Öffnen der Türen wird nur wenig Innenraumluft nach außen befördert.
Dass sich die Türen automatisch schließen, gehört zu den Voraussetzungen, die ein Raucherraum erfüllen muss, um als solcher anerkannt zu werden.
Die Japaner verfügen über das weltbeste Eisenbahnsystem und mit dem Hochgeschwindigkeitszug Shinkansen ein Markenzeichen. Er gilt als außerordentlich sicheres und pünktliches Verkehrsmittel. Anfang 1980 noch waren rauchfreie Wagen die Ausnahme. Heute sind sie eine Selbstverständlichkeit – allerdings mit Ausnahmen. Manche Shinkansen haben eine Raucherkabine. Sie befindet sich nur in einem der 8 bis 15 Wagen eines ganzen Zuges.
Auf manchen Bahnsteigen größerer Bahnhöfe gibt es einen Raucherraum. Über große Rohre wird die Luft abgesaugt und auf das Bahnhofsdach geleitet. Wer neben dem Raucherraum steht, kann häufig auch die Geräusche wahrnehmen, die mit der Lüftung einhergehen.
Wie kann man dafür sorgen, dass in einem großen Bahnhofskomplex nicht geraucht wird? Die Lösung am Bahnhof Tokio-Shibuya: ein Raucherraum mit angrenzendem kleinem Raucherbereich und Sitzgelegenheit:
Verglichen mit der riesigen Zahl von Menschen, die sich zur gleichen Zeit vor und auf dem Bahnhofsgelände ohne Tabakprodukte bewegen, ist die Zahl der Raucher auf diesem Platz verschwindend gering.
Zum Schluss noch ein Beispiel aus der Millionenstadt Kobe, die 1995 von einem Erdbeben getroffen wurde. Damals starben mehr als 6.000 Menschen, 200.000 wurden obdachlos. Die Stadt hat sich davon sichtlich erholt. Das Hafengebiet, wo das Erdbeben besonders schwere Verwüstungen angerichtet hatte, ist neu aufgebaut. Dort sowie in manchen von Touristen besuchten Stadtvierteln gibt es Rauchverbote im Freien, so auch im sogenannten Chinatown.
Während meiner dreiwöchigen Japanreise hatte ich nie Probleme mit dem Passivrauchen. Nie ist vielleicht zu viel gesagt, denn ein Nudel-Lokal in Sapporo verließ ich umgehend, nachdem ich gemerkt hatte, dass darin geraucht werden durfte, und in einem Café in Yuki-Shi wechselte ich vom Raucher- in den Nichtraucherbereich. Sonst waren alle Gaststättenbesuche völlig rauchfrei. Aufgefallen ist mir vor allem, dass Tabakrauch praktisch von vielen öffentlichen Freiflächen verbannt ist. So rauchfrei wie in Japan könnte ich keine drei Wochen in Deutschland reisen. Bei uns ist es bisher primär darum gegangen, das Rauchen aus Räumen zu verbannen. Den zweiten Schritt, festzulegen, wo geraucht werden darf, haben uns die Japaner voraus. egk