Fakten zur e-Nikotin-Dampfpfeife

„Der vorliegende Band ist die erste umfassende Publikation im deutschsprachigen Raum, die den Nutzen und die Grenzen der e-Zigaretten, oder besser: e-Dampfprodukte, für die Öffentliche Gesundheit und die Bürgerinnen und Bürger von verschiedenen Disziplinen (Epidemiologie, Toxikologie, Medizin, Soziologie, Soziale Arbeit und Psychologie) und Kontexten (DampferInnen und ihre Interessengemeinschaften) aus diskutiert“, heißt es im Vorwort von „Die E-Zigarette – Geschichte, Gebrauch, Kontroversen“, herausgegeben von Prof. Dr. Heino Stöver, Hochschullehrer an der Frankfurt University of Applied Sciences und Geschäftsführender Direktor des Instituts für Suchtforschung (ISFF). Das Buch ist 2016 im Fachhochschulverlag erschienen (ISBN 978-3-943787-62-7) und kostet 22 Euro.

Die Geschichte der e-Nikotin-Dampfpfeife (später e-Zigarette genannt) reicht bis ins Jahr 1927 zurück. Doch für mehr als Patentanmeldungen reichte es jahrzehntelang nicht. 2003 griff der chinesische Apotheker Hon Lik die Grundidee wieder auf. Mit der Markteinführung der e-Nikotin-Dampfpfeife 2004 in China und dem Beginn des Exports ab 2006 begann die Geschichte eines Produkts, für das sich die Tabakindustrie lange Zeit nicht interessierte. Sie stieg erst 2012 ein, dann aber mit aller Macht. Bis dahin war die Tabakindustrie nicht Antreiber, sondern Getriebene des Booms mit E-Nikotin-Dampfpfeifen.

Die Hinwendung der Tabakindustrie zur e-Nikotin-Dampfpfeife führte zu einer verstärkten Aktivierung des Deutungsrahmens „Gesundheitsschädlichkeit“. Dies zeigte sich u.a. in der Äußerung der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, wonach die e-Nikotin-Dampfpfeife ebenso schädlich sei wie die Tabak-Zigarette.

Fakt ist, dass der Dampf der e-Nikotin-Dampfpfeife um ein Vielfaches weniger gesundheitsschädlich ist als der Qualm der Tabak-Zigarette. Den Unterschied mathematisch zu berechnen, ist u.a. aufgrund der völlig anderen Zusammensetzung des Dampfes und des Qualms nicht möglich. Während im Tabakrauch hunderte zum Teil hoch gesundheitsschädliche Stoffe nachgewiesen sind, enthält der e-Dampf nur wenige Stoffe, die gesundheitlich bedenklich erscheinen – auch wenn die Dampfwolken in der Regel deutlicher zu sehen sind als der Tabakrauch. Experten gehen davon aus, dass der Dampf um mindestens 95 Prozent weniger schädlich ist als der Qualm. Tabakraucher, die auf e-Nikotin-Dampfpfeife umsteigen, verringern das gesundheitliche Risiko deshalb erheblich.

Fakt ist, dass die e-Nikotin-Dampfpfeife nicht als Einstiegsdroge dient. Erhebungen im In- und Ausland zeigen, dass die e-Nikotin-Dampfpfeife in nur geringer Zahl von Nichtrauchern probiert, darüber hinaus aber nicht angenommen wird. Ein Gateway-Effekt (der Konsum einer Droge erhöht die Wahrscheinlichkeit für den Konsum weiterer anderer Drogen) ist nicht erkennbar. Zudem ist der Verkauf von e-Nikotin-Dampfpfeifen an Minderjährige seit 20. Mai 2016 verboten.

Fakt ist, dass bei der Tabakentwöhnung die e-Nikotin-Dampfpfeife mindestens ebenso effektiv ist, wie die nikotinhaltigen Produkte der Pharmaindustrie. Die Erfolgsquoten liegen in beiden Fällen im einstelligen Prozentbereich. Während für pharmazeutische Produkte jedoch umfangreiche Werbung betrieben wurde, ist von den Anbietern der e-Nikotin-Dampfpfeife in dieser Richtung nichts oder nur wenig geschehen. Zum einen haben sie kein Interesse daran, ihre Kunden zu verlieren, und zum anderen fehlten ihnen die finanziellen Mittel für die erforderlichen Studien zur Zulassung als Tabakentwöhnungsmedikament. Die Tabakindustrie hätte die Mittel, aber auch sie ist eher daran interessiert, am Verkauf von Tabak-Zigaretten und e-Nikotin-Dampfpfeifen zugleich zu verdienen.

Fakt muss sein, dass Nichtdampfer ebenso wie Nichtraucher zu schützen sind. e-Nikotin-Dampf besteht nicht aus frischer Luft, sondern aus einem Stoffgemisch mit gesundheitsschädlichen Anteilen.

Gesundheit der Bevölkerung

Der Gesundheit der Bevölkerung wäre am besten gedient, wenn überhaupt nicht mehr geraucht werden würde. Doch es hieße, sich aus der Realität zu verabschieden, würde man ernsthaft annehmen, diesen Zustand in absehbarer Zeit zu erreichen. Alle Raucher zu Ex-Rauchern zu machen – wer dazu in der Lage wäre, bräuchte übermenschliche Kräfte. Da diese niemand hat, muss das Ziel im Vordergrund stehen, die Gesundheit der Bevölkerung durch Minderung der eingeatmeten Schadstoffe zu verbessern. Dazu ist es u.a. erforderlich, sich mit möglichen Auswirkungen eines Umstiegs von der Tabakzigarette auf die e-Nikotin-Dampfpfeife zu befassen. Wie die Grafik zeigt, ist bei einer Schädlichkeitsreduzierung von 95 Prozent durch Umstieg von der Tabakzigarette auf die e-Nikotin-Dampfpfeife eine erhebliche Reduzierung der Frühsterblichkeit erreichbar. Bei zehn Prozent Umsteigern sterben bereits jährlich rund 10.000 Menschen weniger an den Folgen des Tabakrauchens. Dampft die Hälfte der Raucher statt der Tabakzigarette eine e-Nikotin-Dampfpfeife reduziert sich die Zahl der Frühsterblichkeitsfälle bereits auf rund die Hälfte. Zwar wären auch 5.500 Tote durch Gebrauch der e-Nikotin-Dampfpfeife noch zu viel, aber verglichen mit den gegenwärtig 110.000 Tabaktoten doch ein immenser Erfolg

Wohlgemerkt, die Zahlen gelten für den Fall, dass Raucher auf das Dampfen umsteigen, also anstelle der Tabakzigarette ausschließlich die e-Nikotin-Dampfpfeife nutzen. Inzwischen zeigen bereits mehrere Studien, dass ein nicht unerheblicher Teil der Dampfer mit der Zeit auch das Dampfen lässt, ohne beim Umstieg eine völlige Nikotinabstinenz anvisiert zu haben.

Wer gleichzeitig raucht und dampft, reduziert sein Gesundheitsrisiko, wenn er eine bestimmte Anzahl der täglich gerauchten Tabakzigaretten durch eine vergleichbare Nutzung der e-Nikotin-Dampfpfeife ersetzt.

Immer mehr Eltern gehen zum Rauchen auf den Balkon oder vor die Tür. Sie rauchen nicht mehr in den Wohnräumen. Das ist eine begrüßenswerte Verhaltensänderung. Doch es gibt noch genügend Fälle, in den Eltern nicht diese Einsicht besitzen und ihre Kinder weiterhin dem äußerst gesundheitsschädlichen Tabakqualm aussetzen. Die NID ist schon mehrmals mit solchen Fällen konfrontiert worden – fast ausschließlich von Verwandten, die dieser aus Bequemlichkeit in Kauf genommenen Kindesmisshandlung nicht tatenlos zusehen wollen. Wenn sämtliche Appelle, das Rauchen einzustellen, nichts nutzen, könnte – so geschehen in einem Fall – vielleicht der Umstieg auf die e-Nikotin-Dampfpfeife die Belastung durch gesundheitsschädliche Stoffe erheblich mindern.

In einer Demokratie beschränkt sich die Aufgabe der Wissenschaft idealerweise darauf, eine Datengrundlage für politische Entscheidungen zu liefern. Um die Frage, wie die Erkenntnisse in politisches Handeln umzusetzen sind, kümmern sich die Wissenschaftler in der Regel nicht. Denn das hieße ja, sich auf ein Gebiet zu begeben, für das ganz andere Regeln gelten.

In der Politik mischen Bürgerinnen und Bürger mit – nicht alle, aber meist mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten. Diese nehmen ihr Grundrecht wahr, ihre Repräsentanten zu wählen. Auf Basis dieses Mandats müssen die Volksvertreter nun darüber entscheiden, welche Regelungen ein friedliches und gedeihliches Zusammenleben sichern können. Und sie müssen einschätzen und prognostizieren, welche Beschlüsse dem Wohle des deutschen Volkes dienen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden und zugleich gerecht sein könnten – und das unter Beachtung der Verfassung und einer Durchsetzung mit vertretbarem Aufwand. Soll der Gebrauch der e-Nikotin-Dampfpfeife gefördert oder behindert werden? Kann die e-Nikotin-Dampfpfeife den Weg zur tabak(rauch)freien Gesellschaft ebnen, hemmen oder verhindern? Keine leichte Entscheidung!

Quelle: Nichtraucher-Info Nr. 106 – II/2017