Tabakkonsum 2020 von Corona bestimmt

Noch nie ist der Tabakkonsum eines Jahres von derart vielen unerwarteten Faktoren bestimmt gewesen wie 2020. Den größten Einfluss übte zweifellos die Corona-Pandemie aus. Sie führte dazu, dass deutlich mehr Tabakwaren im Inland gekauft wurden.

Während es 2020 bei Zigaretten mit -1,1% im Vergleich zum Vorjahr das schon traditionelle Minus gab, ließ die Corona-Pandemie den Absatz von Pfeifentabak um 44,3%, von Feinschnitt um 10,6% und von Zigarren/Zigarillos immerhin noch um 3,7% im Jahresvergleich steigen. Die Absatzmengen hatten einen Gesamtwert von 28,8 Milliarden Euro, 1,38 Milliarden Euro (5%) mehr als 2019. Die Einnahmen aus der Tabaksteuer stiegen hingegen nur um 0,34 Milliarden Euro (2,3%). Den Reibach machten 2020 also die Tabakunternehmen hierzulande. Worauf ist das zurückzuführen?

Reisebeschränkungen wichtigster Faktor

Der wichtigste Faktor für die unterschiedliche Entwicklung bei den vier Tabakerzeugnissen sind zweifellos die Reisebeschränkungen anlässlich der Covid-19-Pandemie. Wer seinen Urlaub nicht im Ausland verbringen kann, muss seinen Tabakkonsum auf das Inland verlagern. Und wer keine Vorratspackungen billiger Zigaretten aus Übersee mitnehmen kann, muss sich die vorgefertigten Glimmstängel zu-hause entweder für viel Geld besorgen oder auf Selbstgedrehte umsteigen. Die Größenordnung lässt sich nur schwer bestimmen. Als Anhaltspunkt für Schätzungen können die Mengen dienen, die zollfrei eingeführt werden dürfen. Für Rückkehrer aus EU-Staaten sind das entweder 800 Zigaretten oder 400 Zigarillos oder 200 Zigarren oder 1 Kilogramm Rauchtabak (Feinschnitt, Pfeifentabak). Für Reisende aus Staaten, die nicht zur EU gehören, verringern sich diese Mengen auf ein Viertel.

Feinschnitt und Pfeifentabak erheblich billiger als Zigaretten

Warum der Run auf Tabak zum Selbstdrehen von Zigaretten? Feinschnitt und Pfeifentabak sind erheblich billiger als Zigaretten. Zum Preis von einer Fabrikzigarette lassen sich mindestens zwei Glimmstängel aus Feinschnitt oder Pfeifentabak eigenhändig drehen. Dass der Tabak zum Selbstdrehen so billig ist, liegt primär am Gesetzgeber. Auf die maschinell gefertigte rund ein Gramm schwere Zigarette entfielen 2020 durchschnittlich 16,91 Cent Tabaksteuer pro Stück, beim Feinschnitt waren es 7,55 Cent pro Gramm und beim Pfeifentabak gar nur 3,87 Cent. Offensichtlich entschieden sich prozentual mehr Rückkehrer für Feinschnitt als für Pfeifentabak. Wesentliche Unterschiede zwischen beiden Erzeugnissen gibt es nicht. Vom Pfeifentabak wird behauptet, dass er sich in der Pfeife umso langsamer und kühler rauchen lassen soll, je gröber er geschnitten ist. Ob das auch für seine Verwendung als Zigaretten-ersatz gilt?

Eine Zigarette enthält ein Gramm Rauchtabak

Selbstverständlich kann für die Selbstgedrehten auch ein anderes Gewicht angesetzt werden. Doch ob man aus einem Gramm Feinschnitt eine, eineinhalb oder zwei Zigaretten dreht, spielt keine entscheidende Rolle für die Beurteilung der Gesamtentwicklung auf diesem Absatzmarkt. Es geht ausschließlich darum, Stückzahlen und Gewichte vergleichbar zu machen. Bei Anwendung des Ein-Gramm-Zigaretten-Äquivalents zeigt sich, dass 2020 mehr geraucht wurde (plus 3,5%) als 2019. Die Zunahme bei Feinschnitt und Pfeifentabak infolge des Reiseausfalls haben den Rückgang bei den Zigaretten also überkompensiert. Doch im Corona-Jahr gelten nicht die gewohnten Regeln.

Umsatzsteuersenkung mischt mit

An dieser Entwicklung ist sicher auch die Senkung der Umsatzsteuer um 3% im zweiten Halbjahr 2020 beteiligt. Gerade die Raucher, die auf jeden Cent achten müssen, haben vor allem im vierten Quartal kräftig zugeschlagen. So weist das Statische Bundesamt für Oktober bis November 2020 bei Zigaretten eine Steigerung von 9,5% gegenüber dem Vorjahreszeitraum aus. Beim Pfeifentabak lag der Anstieg im zweiten Halbjahr bei 50,2% gegenüber 37,7% in den ersten sechs Monaten.

Home-Office begünstigt Tabakkonsum wohl nur sehr wenig

Ob das Arbeiten im Home-Office zur Steigerung einzelner Tabakerzeugnisse beigetragen hat, geht aus den vorliegenden Zahlen nicht hervor. Da die meisten der nun vom häuslichen Büro aus Tätigen zuvor im betrieblichen Büro gearbeitet haben, ist davon auszugehen, dass das Rauchverbot am Arbeitsplatz auch auf die eigene Wohnung übertragen wird. Doch ist nicht auszuschließen, dass einige Raucher zu Hause die eine oder andere Zigarette mehr als am Arbeitsplatz rauchen, wo das Rauchen in der Regel nur unter erschwerten Bedingungen möglich ist. Oder sie greifen zum Tabakerhitzer; die dafür benötigten Produkte fallen in die Pfeifentabakkategorie. Zu ihr zählt auch der Wasserpfeifentabak. Der Absatz von klassischem Pfeifentabak ist jedenfalls seit Jahren rückläufig.

Prognosen beeinflussen die Absatzdaten

Die vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Daten zum Absatz von Tabakwaren stammen von der Zentralen Steuerzeichenstelle Bünde bei dem Hauptzollamt Bielefeld. Dort müssen die Tabakhersteller Steuerzeichen bestellen. Nicht verbrauchte Steuerzeichen können sie zurückgeben. Zwischen der Bestellung der Steuerzeichen und dem Inverkehrbringen bzw. Kauf der Tabakprodukte vergehen meist mehrere Wochen oder Monate. Das bedeutet, dass die Quartals- und Jahreszahlen auf Absatz-prognosen der Tabakunternehmen beruhen. Gerade bei Änderungen von Eckdaten wie Steuererhöhungen, Wirtschaftskrisen oder die völlig neuen Reisebeschränkungen ist die Aussagekraft kurz- und mittelfristiger Daten begrenzt. Ein Zuviel oder Zuwenig im einen oder anderen Quartal gleicht sich bei Betrachtung von Zwei- und Drei-Jahres-Zeiträumen jedoch in der Regel aus.

Zigarettenabsatz hat sich seit 1991 halbiert

Ganz sicher sind Daten über 30 Jahre. Die langfristige Entwicklung der versteuerten Tabakwaren zeigt, dass der Zigarettenabsatz seit 1991 von 146,5 Milliarden Stück um rund die Hälfte auf 73,8 Milliarden Stück im Jahr 2020 gesunken ist.